Freitag, 22. November 2013, 20.30
Werke von Alvin Lucier und Michael Moser
Michael Moser, Violoncello
Alvin Lucier
On the Carpet of Leaves illuminated by the Moon
Für Violoncello und Oszillator (2000)
Eine einzelne Sinuswelle ist während der gesamten Dauer des Stückes hörbar, auf einem
Violoncello werden einzelne Töne gezupft, die zusammen mit der Sinuswelle Interferenzen
bzw. ein hörbares Pulsieren erzeugen. dessen Frequenz ist vom Intervall zwischen den beiden
Klangquellen abhängig; je grösser das Intervall, desto schneller das Pulsieren. beim Einklang
ist kein pulsieren wahrnehmbar. Bestimmt wird die Form dieses Interferenzmusters durch das
Ausschwingverhalten der angezupften Saiten.
Der Titel des Werkes entstammt der Novelle Wenn ein reisender in einer Winternacht von Italo
Calvino. Das Kapitel „auf dem mondbeschienenen Blätterteppich“ beginnt wie folgt: „Die
Ginkoblätter fielen wie feiner Regen von den Zweigen und tupften den Rasen gelb. Ich
lustwanderte mit Herrn Okeda über den glatten Steinweg und sagte, ich würde gern die
Sinneswahrnehmung jedes einzelnen Ginkoblattes von der Sinneswahrnehmung aller anderen
trennen, frage mich aber, ob das wohl möglich sei. […] fällt ein einzelnes gelbes Blättchen
vom Ginkobaum und sinkt auf den Rasen, so ist der Eindruck, den man bei seiner Betrachtung
hat, der eines einzelnen gelben Blättchens. fallen zwei Blättchen vom Baum, so flogt das Auge
dem Flug der beiden, wie sie einander umtanzen, bald näher, bald ferner, gleich zwei sich
jagenden Schmetterlingen, um schließlich auf dem Rasen zu landen, das eine hier, das andere
dort. […] Ich würde gern das Einzelbild eines jeden fallenden Blattes getrennt halten,
unvermischt mit denen der anderen, um jedes Blatt einzeln in seinem luftigen Tanz zu
verfolgen, bis es sich auf die Grashalme legt. […] ich begann, mein Augenmerk auf die
Wahrnehmung der geringsten Sinneseindrücke im Moment ihres ersten Auftretens zu
konzentrieren, wenn ihre Klarheit noch nicht verwoben ist in ein Bündel diffuser
Impressionen.“
[Festival Inventionen, Berlin, 2000]
On the Carpet of Leaves illuminated by the Moon wurde in der Fassung für Violoncello für
Michael Moser geschrieben und im Rahmen des Berliner Festivals Inventionen im Jahr 2000
uraufgeführt.
Alvin Lucier
1931 in Nashua/ New Hampshire geboren. Er studierte an den Universitäten von Yale (New
Haven) und Brandeis (Boston), u.a. bei Irving Fine. Darüber hinaus war er Schüler von Quincy
Porter und am Berkshire Music Center von Aaron Copland und Lucas Foss. 1963 leitete er die
Chorale Union an der Brandeis University. 1966 gründete er mit anderen die Sonic Arts Union.
Seit 1969 lehrt er an der Wesleyan University in Middletown/ Connecticut und erhielt
verschiedene Stipendien (u.a. durch die Rockefeller Foundation). Lucier, der von 1972 bis 1977
musikalischer Leiter der Dance Company von Viola Farber war, arbeitete auch mit anderen
Tanzensembles zusammen und schrieb beispielsweise für Merce Cunningham mehrere
Auftragswerke. Seit einigen Jahren befasst sich Lucier verstärkt mit den Möglichkeiten der
Klanginstallation; Aufführungen, Vorträge und Ausstellungen führten ihn in diesem
Zusammenhang vielfach durch die USA; nach Europa und Japan. 1995 publizierte er die
theoretische Schrift "Reflections".
[Donaueschinger Musiktage, 2008]
Michael Moser
Locomotion Traces
Für Cello, zwei Snaredrums, zwei Transducer und Zuspielung (2011/2013)
Das Bild: zwei Snaredrums werden in bespielte, selbstklingende Objekte verwandelt: Die Idee
entstammt der Arbeit an meinen letzten beiden großformatigen Klanginstallationen – Resonant
Cuts und Antiphon Stein. Hauptelemente dieser Arbeiten waren mit Transducern bespielte
Flächenobjekte aus Glas und Metall. In Locomotion Traces bringen die Körperschallwandler
den zugespielten Klang auf die Felle der Trommeln, machen sie so zu Lautsprecher die je nach
Bauart und Resonanzraum diesen Klang filtern. Sinustonflächen verstärken die Verfremdung
der räumlichen Wahrnehmung. Eigenresonanz, mechanische Anregung und Zuspiel überlagern
einander. Daraus resultiert eine vielgestaltige klangliche Mischung von gespieltem und
bespieltem Instrument.
[Michael Moser, 2011]
Michael Moser
Michael Moser wurde in Graz geboren. Er studierte Architektur an der TU Wien und Violoncello
an der Musikuniversität in Graz und Wien. Bereits während seines Studiums begann eine
intensive Beschäftigung mit verschiedenen Formen zeitgenössischer Musik sowie die Suche
nach Erweiterung des rein instrumental-spezifischen Ausdrucksrepertoires durch
Experimentieren mit Live-Elektronik. Ab Mitte der 80er Jahre Mitglied in zahlreichen
Improvisationsgruppen, gründete er 1993 gemeinsam mit Werner Dafeldecker das Ensemble
Polwechsel, das im Spannungsfeld zwischen Komposition und Improvisation, strengen
Konzepten und vollkommen freiem Spiel arbeitet. Als Interpret, arbeitet Michael Moser als
Solist und Kammermusiker in Europa, Japan und den USA. Auf seine Anregung entstanden
zahlreiche Kompositionen für Violoncello solo. Zusammenarbeit u.a. mit den Komponisten
Bernhard Lang, Isabel Mundry, Peter Ablinger, Beat Furrer, Alvin Lucier, Clemens Gadenstätter,
Hans Zender, Pauline Oliveros, Phill Niblock, Klaus Lang, Michael Maierhof und Ensembles wie
Klangforum Wien, Ensemble Neue Musik Wien, ensemble on_line vienna. Gründungsmitglied im
Trio Amos gemeinsam mit Sylvie Lacroix, Flöte, und Krassimir Sterev, Akkordeon. Neben
seinem Wirken als angesehener Interpret Neuer Musik arbeitet Michael Moser als Komponist
und Improvisator u.a. mit den Musikern Axel Dörner, Christian Fennesz, Elliott Sharp, Otomo
Yoshihide, Bernhard Lang, Martin Siewert, Sam Auinger, John Tilbury, Tony Buck, Keith Rowe,
Hans Koch, David Moss, Merzbow. Teilnahme an zahlreichen Festivals für zeitgenössische und
improvisierte Musik. Seit 2000 vermehrte kompositorische Arbeiten. Der Raum, der Klang in
diesem Raum, also der orts/site-spezifische Aspekt in der Musik, gewinnen zunehmend an
Bedeutung. Entwicklung bespielbarer Klanginstallationen mit Wolfgang Musil. 2008 als Gast des
Berliner Künstlerprogramms des DAAD, Herstellung von Resonant Cuts einer Konzertinstallation
für Trompete, Kontrabass, Kontrabassklarinette, 2 Percussionisten und live Elektronik mit
daran anschliessender 16-kanaliger Klanginstallation mit Flächenobjekten aus Glas und Metall,
die mit Transducern bespielt werden. Ausstellung in der singuhrhoergalerie Berlin. 2011
Klanginstallation Antiphon Stein für den Klangraum Krems Minoritenkirche.
http://www.polwechsel.com